Archiv für 28. Juni 2012
Zunächst waren es in Deutschland die Finanzen, die am 29. Juni 2012 der staatlichen Souveränität entrissen wurden. An jenem Tag wurde der ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus, ugs. dauerhafter Rettungsschirm mit unbegrenzter Haftung) sowie der sogenannte “Fiskalpakt” vom Parlament durchgewunken. Und das, obwohl die Abgeordneten die hunderte von Seiten langen Bestimmungen, abgefasst in kompliziertestem “Angelsächsisch”, erst kurz davor zur Einsicht erhalten hatten. Dieses Prozedere kannte man schon vom Lissabon-Vertrag.
Die Mehrheit im Bundestag kam zustande, weil sich die großen Parteien in einem schrägen Deal einigten (“ESM gegen Finanzmarktsteuer”), unfassbar im Nachhinein, wie billig die Verfassung verhökert wurde. Geschickterweise hatte man es so eingefädelt, vor der Abstimmung eine Zweidrittelmehrheit zu fordern (erstaunlich, wie sicher sich die ESM-Befürworter fühlen konnten), um verfassungsrechtlichen Bedenken im Vorfeld aus dem Weg zu gehen.
Auch der Bundesrat ließ sich nicht lange um Zustimmung bitten. Als “Gegengeschäft” wurde den Ministerpräsidenten eine Entlastung der Kommunen in Milliardenhöhe zugesagt. Verhandlungspraktiken, die so eher auf einen Basar gehört hätten.
Wie von manchem Staatsrechtler prophezeit, wurden selbst vom Bundesverfassungsgericht – nach anfänglichem Hadern – keine größeren Bedenken festgestellt (Was hätte es auch anders tun können? Das Gericht war mit der Tragweite der Entscheidung hoffungslos überfordert. Ironischerweise hatte es sich damit selber abgeschafft, ebenso wie zuvor das Parlament.) Zuvor hatte der Bundespräsident ohne Zögern unterzeichnet, so dass der ESM fristgerecht am 9. Juli 2012 in Kraft treten konnte und damit das Ende der Demokratie in Deutschland besiegelt war.
Widerstand zeigte sich, man mag es im Rückblick kaum glauben, auch außerparteilich nur in geringem Maße – mal abgesehen von einigen Petitionen, Demonstrationen, kuriosen Aktionen (wie das Katapultieren von Grundgesetzen) und Klageandrohungen beim Verfassungsgericht. Die Menschen waren von der Fußballeuropameisterschaft fest eingenommen (Sendeanstalten hatten sich nur in oberflächlichen Andeutungen verloren, bis es schließlich zu spät war). Die Masse der Bürger war seinerzeit ohnehin, stundein stundaus, damit beschäftigt, sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Aus der Geschichte nichts gelernt: Brot und Spiele hatten schon dem Alten Rom den Untergang beschert …
Schon früh ertönte der Ruf nach einer neuen Verfassung. Diesen Beitrag weiterlesen »