Not macht erfinderisch, jüngst sogar die Bundesregierung. Wegen des Pflegekräftenotstands verabschiedete man am vergangenen Montag kurzerhand und ohne großes Aufsehen eine Gesetzesänderung, welche die Kompetenzen der Behörden erweitert bzw. verlagert. So etwa sollen Polizisten mit sofortiger Wirkung Altenheimen unter die Achseln greifen.
Einem Fotoreporter gelangen diese Schnappschüsse umgehend nach Inkrafttreten der Novelle. Sie zeigen motivierte Beamte im Dienst, wie sie einen älteren Herrn freundlich befördern, diesen ohne Zeitdruck betreuen und sogar Fotos von ihm schießen. Die Polizei, endlich wieder Freund und Helfer!
Aber halt, irgendetwas stimmt nicht. Hält der Opa nicht einen “Gegen Stuttgart 21”-Aufkleber in der Hand? Und was soll der Titel “Rentner-Demo gegen S21”?
In der Tat, eine Ente: Die Fotoserie erschien vor ein paar Tagen in der Bild-Zeitung auf Seite 3 und zeigt nicht irgendeinen Rentner, sondern zeitgeist-Autor und -Kolumnist Dr. Gerald Rollett alias Doc Telor, der am 5. Juli seinen Widerstand gegen den ungeliebten Bahnhof – gemeinsam mit dem von ihm gegründeten “Club der Achtzigjährigen” – in Form einer friedlichen Sitzblockade zum Ausdruck brachte. “Bild” bezeichnete den 86-jährigen prompt als vermutlich ältesten Demonstranten Deutschlands.
Die Folgen des Ganzen waren abzusehen: Gerald Rollett wurde postwendend ins Fernsehen eingeladen, der Diskussionsabend (“Nachtcafé” mit Wieland Backes) soll am 14. Juli aufgezeichnet und dann am 23. September 2011 im SWR-Fernsehen erstausgestrahlt werden.
Und die Moral von der Geschicht’: Alter schützt vor “Karriere” nicht.
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