Zeit für den Geist
Thomas Röttcher - Curriculum Vitae

Eigentlich wollte ich zum Fall(en) Sarrazins nicht auch noch meinen Senf dazugeben. Aufgrund der jüngsten Entwicklung komme ich jedoch nicht umhin, ja, fühle ich mich sogar verpflichtet, ein paar Zeilen an Sie zu richten.

Erst neulich durften wir erleben, wie eine bedeutende Whistleblower-Plattform, ein geschützter Raum für Informanten, öffentlich geschlachtet wurde. Von allen. Ausnahmslos. Wegen Fahrlässigkeit, meinetwegen auch Fehlverhaltens in einem Fall. Vergessen war schlagartig, was dort zuvor an Geheimdokumenten offengelegt wurde bzw. noch wird und so der Sicherung unserer Demokratie diente. Macht Selbstbeschneidung jetzt Schule?

Thilo Sarrazin hat ein Buch geschrieben, in dem er aus seiner Sicht – gestützt auf von ihm herbeigezogene Statistiken – auf Missstände in der Integrationspolitik Deutschlands hinweist. Das ist sein gutes Recht, ein verbrieftes sogar, nämlich das der Meinungsfreiheit. Etwas, das mühsam „erkämpft“ wurde, an das auch die Pressefreiheit geknüpft ist.

Der Mann spricht zudem etwas aus, wohlwissend, dass es für manche unliebsam sein könnte und dass er sich und sein Amt damit in Gefahr bringt. Das nennt man Zivilcourage.

Auf einem ganz anderen Blatt steht, ob man Herrn Sarrazin zustimmt oder nicht. Eine deutliche Mehrheit der Bürger hierzulande scheint seiner Meinung zu sein, wenn man zahlreichen Blitzumfragen Glauben schenken darf. Die Medien hingegen, wie auch die meisten Abgeordneten, versteifen sich ohne Umschweife auf „Political Correctness“ und widersprechen empört, wie erst kürzlich wieder bei „Maybrit Illner“. Gerade vonseiten dieser Instanzen sollte aber doch, in einer funktionierenden Demokratie wenigstens, zu einer sachlichen Debatte aufgerufen werden: die Presse als „vierte Gewalt“, die Politiker als Vertreter des Volkes!

Selbst in der Blogosphäre ist eine Polarisierung spürbar, eine latente Emotionalität, als ob sich am Thema Sarrazin die Geister scheiden. Derweil gilt es gerade dort, Widersprüche aufzudecken: Sarrazins Buch ist bei der Deutschen Verlags-Anstalt (DVA) erschienen, die seit einigen Jahren zur Random-House-Verlagsgruppe gehört. Random House wiederum ist Teil des Bertelsmann-Konzerns. Jener Medienriese, der für viele der Inbegriff des Bösen ist, nicht nur wegen der in die Diskussion geratenen Bertelsmann-Stiftung – auch seiner Marktmacht wegen und den Verbindungen zu vermeintlichen Strippenziehern im Hintergrund, allen voran den Bilderbergern (die dem amerikanischen Aktivisten-Journalisten Alex Jones zufolge die Eugenik befürworten).

Na also, passt doch: Flugs erklärt man auch Sarrazin zu einem Eugeniker, und außerdem soll er ja auch Abfälliges über Juden gesagt haben (hat er das wirklich?). Egal, passt dann ja noch besser.

Wenn, ja wenn das Wörtchen „wenn“ nicht wäre …

Setzen sich Bilderberger und Konsorten nicht für eine ermächtigte EU ein, also gegen Nationalstaaten, und für eine Weltregierung, für die Aufhebung der Grenzen, für eine Durchmischung der Völker? Fordert Sarrazin mit seinem Buch – direkt oder indirekt – nicht das genaue Gegenteil?

Größere Verlage, wie andere Unternehmen auch, gehorchen vor allem einem: dem Gesetz des Marktes. Mit Sarrazins Buch, von dem bereits die sechste Auflage in Druck gegeben wurde (Gesamtauflage nun 250.000 Ex.), wie von Verlagsseite zu erfahren war – und das sechs Tage nach Erscheinen! – lässt sich richtig Kasse machen.

In genau diesem Mechanismus liegt die Chance, wirklich relevante Themen zu fördern.

Bestätigen kann dies der Journalist Oliver Janich, dem es gelang, in FOCUS MONEY mehrere kritische Beiträge unterzubringen, u. a. zum Klimaschwindel, dem Geldsystem und 9/11. Warum? Weil er insistiert hat, die Leserresonanz groß war und: weil der Chefredakteur sich von Verkaufszahlen überzeugen ließ. Janichs neuester Coup, ein Nachschlag zum 11. September, erscheint übrigens am kommenden Mittwoch – wieder in FOCUS MONEY.

Kommen Sie mir jetzt bloß nicht damit, das sei doch alles von “viel weiter oben” gesteuert, diene der Verwirrung oder anderen Ausflüchten zur eigenen Ehrenrettung. Fragen Sie sich lieber, was Sie für den Erhalt des Rechts auf Meinungsfreiheit tun.

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7 Kommentare zu „Die Parabel vom assassinierten Sarazenen“

  • Magnus Göller says:

    “Der Mann spricht zudem etwas aus, wohlwissend, dass es für manche unliebsam sein könnte und dass er sich und sein Amt damit in Gefahr bringt. Das nennt man Zivilcourage.”

    Interessant wäre einmal, in Erfahrung zu bringen, wie es Journalisten und Bloggern im Zusammenhang mit der Causa Sarrazin erging und ergeht, in Punkto Gefahr und Zivilcourage.

    Gerade das Innenleben der “Vierten Gewalt” ist jetzt zu hinterfragen.

  • Walter Leisten says:

    Sehe in Sarrazin keineswegs einen Rassisten oder Unruhestifter, sondern endlich einen Politiker, der die stümperhafte Einwanderungspolitik beim Namen nennt. Im gleichen Atemzug wie Sarrazin muß auch die, leider, viel zu früh verstorbene Kirsten Heisig benannt werden mit ihrem Buch “Das Ende der Geduld. Als Jugendrichterin war sie täglich mit diesen Migrationsproblemen konfrontiert und direkt engagiert im Schulterschluß mit türkischen und arabischen Einrichtungen zur Prevention.
    Das Sarrazin unglücklicherweise Gene angesprochen hat, fand auch schon sein Bedauern, da alle Medien sich darin festbissen und davon auf den Inhalt ableiteten. Das Buch, sowie auch das von Heisig, sollte einfach mal gelesen werden, um die erforderliche Notwendikeit einer Änderung zur Migrationspolitik zu begreifen.

  • Honk says:

    Man, man ,man, so viel verquastes Geschreibe, bevor der “Punkt” kommt… -da Sarrazin in die, vermeintlich nationalistische, Kerbe haut, kann er ja nicht vom bilerbergschen oder bertelsmannschem Ufer sein… -diese ganzen “linken Verschwörungstheoretiker” hör’n einfach den Schuß nicht… -da braucht’s schon einen echten Edelblocker…
    Sarrazins Thesen sind der Versuch, eines Tatbeteiligten an der Installation neoliberaler Kleptokratie in Europa, dem einen Teil der Betrogenen, den anderen Teil, nämlich die schon Verelendeten, als Sündenbock zu präsentieren. Und weil das mit einem Schuß Xenophobie, um so besser bei den “BILD(er)lesern” ankommt, haut er halt noch ordentlich Muselmanen-Bashing drauf. Und das ist sehr wohl im Interesse von Bertelsmann und Bilderberg!

  • Thomas Röttcher says:

    Interessant, dass Sie das als “Punkt” erachten, was für mich nur ein “Nebenkriegsschauplatz” ist.

    Und zu Bilderberger & Bertelsmann: Was denn nun, Honk, hott oder hüh? Etwas weniger Widerspruch im eigenen Geschreibsel wäre ratsam, wenn man andere derart heftig zurechtweist.

  • Honk says:

    Komisch, Dein “Nebenkriegsschauplatz” erscheint mir, als das einzig konkret Fassbare in Deinem Artikel… -kann schon sein, das ich Probleme mit Deinem, mir sehr gespreizt erscheinenden, Schreibstil (vulgo: Geschreibe), habe!
    Und da wär’n wir bei nächsten Punkt:
    “Und zu Bilderberger & Bertelsmann: Was denn nun, Honk, hott oder hüh?”
    Sorry, ich versteh die Frage nicht, auch nicht nach vermeintlichen Widersprüchen… (-etwa zwischen Bilderberg und Bertelsmann?)
    Bilderbergkonferenzen und das Wirken der Bertelsmann-Stiftung finden, nach meinem Dafürhalten, weitgehend aus einer nahezu identischen Geisteshaltung und Interessenparalellität, der jeweilig Beteiligten statt… -ich wette, der “gute alte” R. Mohn war bestimmt auf mindestens einer Bilderbergkonferenz.

  • Thomas Röttcher says:

    @Honk

    “Konkret fassbar” wohl deshalb, weil Sie sich mit diesem Punkt persönlich angesprochen fühlen. Macht nichts.

    Nein, der Widerspruch bezog sich nicht auf “Bilderberger und Bertelsmann”, sondern auf Ihre Argumentation in punkto Sarrazin. Kennen Sie den Mann persönlich, dass Sie glauben, so genau über seine Motive Bescheid zu wissen? Worauf begründen Sie Ihre diesbezüglichen Behauptungen?

    Oder gehören Sie zu den von Ihnen angeführten “Verelendeten” und biegen sich gerade die Wirklichkeit zurecht, um einen Sündenbock für ihr “Schicksal” zu finden?

    P. S.: Ich wüsste nicht, dass wir uns das Du angeboten hätten. Also bitte die Form wahren. Danke.

  • Dr.plag. Helge Mannteuffel says:

    http://www.taz.de/1/leben/koepfe/artikel/1/das-schwarze-schaf/

    Als Eltern haben die Sarrazins ihre eigene Meßlatte nicht erreicht. Ein Akademiker-Kind mit solchem Erfolg!

    Damit mich keiner falsch versteht: Der Sohn handelt völlig nachvollziehbar.

    Sarrazin hat bei seinem Weggang von der BuBa noch mal 1000 € extra herausgehandelt.
    Wer ein Buch schreibt, indem es um “richtige” und “falsche”
    Kinder geht, aber selber in dieser Hinsicht eine Pleite ist, würde diese 1000 € seinem Sohn geben, damit nicht herauskommt , daß er sich selber widerlegt . Was für tolle Eliten! Halten sich alle für unverwundbar.

    Reine menschliche Verwahrlosung!

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