Vergangene Woche verkündete das Bundesverfassungsgericht sein Urteil in punkto Vorratsdatenspeicherung: Sie verletze das Grundrecht auf Schutz des Telekommunikationsgeheimnisses, so Richter Hans-Jürger Papier. Ein deutliches Stoppschild also für den Überwachungseifer unserer Regierung. Und dass die “Ohrfeige” wohl schmerzte, zeigt stellvertretend die Reaktion des Innenexperten der CDU, Wolfgang Bosbach, der nach der Aufzeichnung der ZDF-Talkshow “Michael Lanz” den Vorsitzenden der Bürgerrechtsorganisation FOEBUD e. V. hinter den Kulissen als “Flachpfeife” beschimpft haben soll, wie der Verein am 4. März via Newsletter berichtete.
Die Mehrzahl der Deutschen jedenfalls dürfte erleichtert sein. Gegen das Gesetz hatten rund 35.000 Menschen Beschwerde eingelegt, so etwas gab es nie zuvor. Es belegt: Der Bürger will nicht gläsern werden.
Die Telekommunikationsfirmen schienen von dem Urteil eher überrascht. Dennoch begannen sie sogleich mit dem Löschen der Vorratsdaten, allen voran die Telekom und Vodafone. Die Kosten für den ganzen Aufwand werden sie sich wohl vom Staat erstatten lassen. Einerseits verständlich, denn dieser hatte sie ja mit seiner Gesetzesvorlage zum Aufbau der aufwändigen Speicherarchitektur genötigt. Andererseits sehe ich nicht ein, warum der Steuerzahler für etwas aufkommen soll, das er mehrheitlich nicht haben wollte. Wäre es hier nicht einmal angebracht, unsere übereifrigen und sicherheitsfanatischen Politiker zur Kasse zu bitten?
Wie dem auch sei: So mancher Beobachter spricht bei dem Urteil der deutschen Verfassungsrichter von einem Pyrrhussieg. Denn die Vorlage zur Vorratsdatenspeicherung kommt aus Brüssel: Die EU fordert die Mitgliedsstaaten auf, die Telekommunikationsdaten der Bürger zu sammeln und für ein Jahr aufzubewahren (ein erstaunlich kritischer Sendebeitrag im ZDF stellte dies verständlich heraus). Kein Wunder also, dass aus den Reihen der regierenden Parteien schon vehement Forderungen laut werden, neue Wege zu begehen, die Daten zu “sichern”. Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, ein bundesweiter Zusammenschluss von Bürgerrechtlern, Datenschützern und Internetnutzern, hat daher eine Kampagne gegen die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung gestartet.
Überdies wissen wir ohnehin nicht, ob heimlich weitergespeichert und aufgezeichnet wird. Und nicht nur der Staat, auch Google & Co. betreiben im Grunde Vorratsdatenspeicherung.
Vorratsdatenspeicherung ist in unseren schönen neuen Welt der Überwachung längst nicht mehr der einzige tiefe Einschnitt in die Bewegungsfreiheit der Bürger: Videoüberwachung, “der große Lauschangriff”, biometrische Datenerfassung, ELENA usw. usf. – die Datensammelwut scheint kein Ende zu nehmen. SPIEGEL ONLINE hat eine überaus sehenswerte Animation auf ihre Webseite gestellt, auf die Sie unbedingt einen Blick werfen sollten. Sie zeigt erschreckenderweise, wann, wo und wie wir im Tagesablauf eindeutige Spuren hinterlassen.
Unbestätigten Aussagen zufolge könnten inzwischen sogar mit RFID-Chips bestückte Euro-Scheine in Umlauf gebracht worden sein. Vor dem Hintergrund eines möglichen Bankenruns (die Citigroup scheint entsprechende Schutzvorkehrungen bereits zu treffen) ein Szenario, das durchaus lohnt, einmal durchdacht zu werden. Schon 2003 hatten Medien über dieses Vorhaben berichtet. Falls die Annahme zuträfe, könnte dies den Behörden auch die personenbezogene Bargeldkontrolle erheblich erleichtern …
Und so lautet wohl die Frage der Fragen: Wie werden wir unsere Gesellschaft und uns selbst vor der Übermacht eines überall lauernden “Big Brother” nachhaltig schützen können?
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