Zeit für den Geist
Thomas Röttcher - Curriculum Vitae

“Was nur wählen kommendes Wochenende?” fragen sich derzeit nicht wenige, gerade auch vor dem Hintergrund, da eine Fortführung der großen Koalition fast schon beschlossene Sache zu sein scheint. Wollen wir Bürger das denn auch? Und: Welche Alternativen gibt es überhaupt?

In meiner Funktion als Herausgeber, Redakteur und Journalist fühle ich mich der dokumentatorischen Neutralität verpflichtet und möchte deshalb keine konkrete Wahlempfehlung aussprechen. Mir liegt es jedoch am Herzen, wesentliche Sachverhalte und gesellschaftliche Tendenzen sowie die Konsequenzen möglicher Wahlentscheidungen aufzuzeigen,  die Ihnen, lieber Leser, liebe Leserin, die Qual der Wahl erleichtern mögen.

Eine große Koalition ist stets ein Signal profilloser Politik. Und eine Fortsetzung der bisherigen scheint fast so sicher wie das Amen in der Kirche ... (Foto: R. Dießl)

Eine große Koalition war stets Beleg profilloser Parteipolitik und birgt aufgrund der durch sie bedingten schwachen Opposition besondere Gefahren. Eine Fortsetzung derselben Koalition scheint indes beinahe so sicher wie das Amen in der Kirche, oder wirken am kommenden Wahlsonntag mehr Bürger, als zu erwarten wäre, mit ihrer Stimme an einem Wunder mit? (Foto: R. Dießl)

Nun kann man diejenige im Bundestag vertretene Partei wählen, der man bislang stets die Stimme gegeben hat, sei es aus Gewohnheit, aus Tradition oder gar aus Angst, die “Rechten” könnten sonst zu viele Stimmen gewinnen. Damit bestätigt man jedoch die Politik der letzten Jahre in vollem Umfang. Dazu habe ich in einem anderen Artikel einiges geschrieben.

Man kann taktisch wählen, z. B. Wechselwählen, mit zweifelhaftem Erfolg. Auch diese Wahl ist systembestätigend.

Man kann Protestwählen. Doch dann gibt man unter Umständen genau der falschen Partei die Stimme; auf jeden Fall aber wählt man nicht “Pro”, sondern “Contra”.

Oder man kann für eine der sogenannten “Kleinparteien” stimmen, die noch idealistisch und motiviert für echte Werte und Überzeugungen einstehen. Welche Parteien das sein könnten, lesen Sie z. B. in meinem Beitrag Bunter Wahlkampfkarneval (Teil 2)”.

Diese (Aus-)Wahl gilt allerdings nicht nur für die Zweitstimme, sondern ebenso für die Erststimme. Zur Orientierung: Während Sie sich mit der Zweistimme bekanntlich für eine Partei entscheiden, wählen Sie mit letztgenannter direkt einen Kandidaten in den Bundestag (egal, ob Mitglied einer Partei oder parteilos). Und darin liegt eine große Chance.

In den letzten Jahren haben sich meiner Beobachtung nach drei Strömungen als zentrale Bürgerinteressen herauskristallisiert, für die von Seiten der Regierung und auch von Seiten der anderer Großparteien keine oder kaum eine Lobby existiert. Es handelt sich dabei um das Thema Selbstbestimmung statt Entmündigung (die Piratenpartei steht hier stellvertretend für die Freiheit im Netz), das Thema Mitbestimmung (dazu zählt der Wunsch nach Volksabstimmung bzw. direkter Demokratie – einen hintergründigen Beitrag dazu haben wir aktuell in unserem Online-Special veröffentlicht, einen informativen Videoclip gibt es hier) sowie das Thema Grundsicherung, für das vor allem diejenige Bewegung steht, die ein (bedingungsloses) Grundeinkommen fordert.

Trotz der Ignoranz der Regierung lassen engagierte Bürger nicht locker und legen Ihr Veto ein respektive ihre Wünsche der Politik vor, bislang hauptsächlich mittels Petitionen (jüngst: für ein Grundeinkommen und gegen Internetzensur), welche jedoch von den herrschenden Parteien beharrlich ignoriert werden. Ohne sich entmutigen zu lassen und auch, um zu zeigen, wie ernst die Lage ist,  haben sich nun verteilt im ganzen Land einzelne Bürger aufgemacht, als Direktkandidaten für diese Themen anzutreten.

Kandidaten für das Thema Mitbestimmung finden Sie, nach Wahlkreisen sortiert, auf folgenden Webseiten:

  • www.volksentscheid.de/wahlkreis/
  • www.fuervolksentscheide.de/wahlen/bundestagswahl-2009/245-aktuelle-praesenz-in-deutschland

Kandidaten für das Thema Grundsicherung können Sie folgenden Internetseiten entnehmen:

  • www.grundeinkommen-ist-waehlbar.de
  • www.du-kannst-grundeinkommen-waehlen.de
  • Darüber hinaus haben einzelne Kandidaten eigene Homepages oder Videoclips erstellt, so etwa die Initiatorin der Grundeinkommen-Petition Susanne Wiest, weiterhin der Sänger der Band “Die Bandbreite”, Marcel Wojnarowicz alias Wojna, oder in Berlin-Mitte der Autor und Philosoph Ralph Boes.
  • Zusätzliche Infos zu Parteien (z. B. den “Violetten”) und Kandidaten, die sich für das Grundeinkommen einsetzen, finden Sie im “Archiv Grundeinkommen” sowie auf der Social-Networking-Plattform Facebook.

Eine konzeptionelle Idee, die sie sich schon sehr früh für die offensive Nutzung der Erststimme einsetzte und neuerdings sowohl die Themen Selbst-/Mitbestimmung als auch ein Grundeinkommen fordert, ist das “Willi-Weise-Projekt” mit seinem Initiator Friedrich Schönbeck. Auf deren Homepage gibt es ebenfalls eine Übersicht von Direktkandidaten in verschiedenen Wahlkreisen.

Die Auflistung der Kandidaten, die sich für diese Themen anpreisen, ist selbstverständlich noch keine Garantie dafür, dass es sich dabei in jedem Fall um integere Persönlichkeiten handelt. Gerade in Bezug auf die Willi-Weise-Kandidaten oder die Kleinstpartei “Deutschland for You” (D4U) kam es im Netz zu kontroversen Diskussionen. Was immer an den Vorwürfen stimmen mag, muss jeder Einzelne für sich selbst überprüfen. Es empfiehlt sich daher, die Telefonnummer der entsprechenden Listenkandidaten zu ermitteln und mit einem persönlichen Gespräch das eigene Meinungsbild abzurunden. Überdies bietet auch Abgeordnetenwatch.de, wo eventuell die gleichen Fragen schon gestellt wurde, Hilfestellung.

Von den kursierenden Vorschlägen, die Wahl zu boykottieren oder bewusst auf ungültig zu wählen, um so seinem Protest Ausdruck zu verleihen, halte ich persönlich nichts. Weshalb ich so denke, hatte ich bereits im Vorfeld der Europawahlen dargestellt.

Eine gute Idee zum Ende hin: Bei dieser Bundestagswahl mag es sich lohnen, als Wahlbeobachter “mitzuwirken”, wie es die (nicht zur Wahl zugelassene) “Partei der Guten” in ihrer letzten Pressemitteilung anregt. Einfach um sicherzustellen, dass alles mit rechten Dingen zugeht. Man weiß ja nie.

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3 Kommentare zu „Die hohe Kunst des richtigen Wählens“

  • Zukuntssurfer says:

    Vielen Dank für die übersichtliche Zusammenstellung. Weiter so.

    Hier noch etwas Heiteres, so vor der Wahl:
    http://www.swr3.de/fun/comix/-/id=136010/did=588754/vv=audio-popup/pv=plain/11gfrxb/index.html

  • wolfgang mattern says:

    Vielen Dank für diese Zusammenstellung!

    Freundliche Grüße

    Wolfgang Mattern

  • Horst Telschig says:

    Situationsbewertung.

    Es geht um unsere Welt, den Menschen und unser aller Leben. Es stellt sich die existenzielle Frage, wo befindet sich die Menschheit jetzt und wie ist ihre Befindlichkeit. Ein ungewöhnlicher Außen- und Innendruck belastet uns alle. Zeit einzuhalten und zu sehen, wo stehe ich (wir alle) im Moment und was ist zu tun, um Leben wieder entspannter zu gestalten.

    Die aktuelle Wirtschafts-, Finanz- und Gesellschaftskrise und die bevorstehende Bundestagswahl stellen die primäre Ursache der angespannten Lebenssituation dar. Ein Baum mit kranken Wurzeln kann keine gesunden Früchte tragen. Seit Jahrhunderten lebt die Menschheit in einer negativen Entwicklungsspirale. Von wenigen Ausnahmen abgesehen sind wir alle faktisch Opfer von Opfern von Opfern ………….., ohne es real wahrzunehmen. Alles geschieht unter der Regie einer beutehungrigen Machtclique.

    Die Bundestagswahl ist als eine inszenierte Showveranstaltung anzusehen. Unter den derzeit geltenden Gesetzen und der zur Verfügung stehenden Masse sind lediglich Verschiebungen, aber keine nachhaltigen Verbesserungen der Lebenssituation und Lebensqualität der Bevölkerung zu erwarten. Am Beispiel des Baumes werden an den Blättern Maßnahmen durchgeführt, die zur Gesundung des Baumes führen sollen. Keine Chance, an unserer Lebenssituation auch nur eine Kleinigkeit zu verbessern. So wird die Menschheit seit Ewigkeiten vorgeführt, ohne es zu bemerken.

    Meine Ausführungen sind nicht als Aufruf zur Wahlverweigerung gedacht, sondern als Impuls, Realitäten mit Ehrlichkeit zu betrachten und Initiative in der Zukunft für eine lebensfreudlichere Welt zu entwickeln.

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