Zeit für den Geist
Thomas Röttcher - Curriculum Vitae

Dass Wahlkampf an sich etwas Absurdes darstellt, hatte ich schon in einem früheren Beitrag ausgeführt. Besonders bizarr wird es vor dem Hintergrund der letzten regierungspolitischen Missetaten (Lissaboner Vertrag, Bad Banks, Abwrackirrsinn etc. pp.), wenn sich die Parteivertreter nun einige Wochen ganz volksnah bemühen (oder zumindest so tun als ob), als Gutmenschen dazustehen (gerade die, die uns die ganze Misere eingebrockt haben) oder naive Versprechungen zu machen (welche Umfragen zufolge zwar 80 % nicht mehr glauben, aber trotzdem wieder darauf reinfallen werden).

Da haben wir z. B. die SPD mit Kandidat Steinmeier, der als Hauptwahlprogrammpunkt Vollbeschäftigung verheißt. Allen Ernstes. Klasse, bei dieser Weltfremdheit braucht es gar kein Kabarett mehr, das ist Realsatire.

Oder die CDU: Die macht prima Plakate mit blumigen Worten wie “für Sicherheit und Freiheit” (geradezu Hohn, wenn man sich erinnert, wie Machtpolitikerin Merkel erst kürzlich einen Gesetzesvorschlag zur Volksabstimmung abgeschmetterte oder etwa auf Schäuble blickt mit seinem Überwachungswahn). Als Reaktion darauf schrieb Markus Beckedahl von Netzpolitik.org einen Satirewettbewerb aus, die Schäuble-Plakate doch kreativ umzugestalten (und so näher an die Realität zu rücken). Er konnte sich vor Vorschlägen kaum retten. Eine Auswahl der Ideen ist hier zu bewundern: http://www.flickr.com/photos/41336872@N02/. Besonders gelungen finde ich den verballhornten Obama-Slogan “Yes we scan” (oder auf einem Von-der-Leyen-Plakat als “Yes we ban”). Wem das noch nicht reicht, der kann sich auch seinen eigenen CDU-Remix erstellen.

Wahlplakat-Parodien, auf Neudeutsch “Mashup”, scheinen bei diesem Wahlkampf nicht nur zum Volkssport geworden zu sein, sondern zeigen auch, dass der Bürger beginnt, sich auf ganze unerwartete Weise einzumischen: intelligent, spielerisch und (noch) friedlich. Denn vielen wird es mittlerweile zu bunt, was “die da oben” für einen Karneval treiben. Politikverdrossenheit, das war mal. Da passt es nur ins Bild, dass “DIE PARTEI” von Titanic-Chefredakteur Martin Sonneborn ein Revival erfährt, sogar mit eigenem “Propaganda-Dokumentarfilm” (deren Zulassung zur Bundestagswahl wurde indes vom Bundeswahlleiter vereitelt, womöglich auf nicht ganz “saubere” Art, was die Gültigkeit der ganzen Wahl infragestellen könnte) oder dass nicht wenige HSP-Spitzenkandidat Horst Schlämmer alias Hape Kerkeling dank seiner Kinokandidatur beim Urnengang vergeblich auf dem Wahlzettel suchen werden.

Kurzum: Wer am 27. September eine der beide Regierungsparteien wählt, muss wissen, dass er damit die Politik der vergangenen Jahr(zehnt)e zu 100 % gutheißt und mit seinem Kreuz Folgendes zum Ausdruck bringt:

“Liebe deutsche Politiker,
macht weiter so, entwertet unser Geld, unser Land und unser Ansehen.
Macht weiter so, und tretet unsere Bürgerrechte mit Füßen.
Macht weiter so, und schafft unseren souveränen Staat ab – und unsere Demokratie gleich mit.
Macht weiter so mit Euren Angriffskriegen, z. B. in Afghanistan.
Macht weiter so, und zensiert das Internet.
Macht weiter so, und überwacht bald jede Regung in unserem Leben.
Macht weiter so, gebt der Wirtschaft noch mehr Macht.
Und sorgt weiter dafür, dass die, welche heute schon viel, künftig noch mehr haben.
Macht weiter so, und schafft die Voraussetzungen für Aufstände, wenn nicht einen Bürgerkrieg.”

Und was ist mit den bisherigen Oppositionsparteien? Nun, die drehen bekanntlich ihr Fähnchen mit dem Wind (und müssten daher eigentlich Opportunitätsparteien heißen). Das war doch schon immer so, wie es der Betreiber der Webseite Buergerrechte-waehlen.de anhand der Überwachungsgesetze schlüssig dargelegt hat. Jeder weiß, dass sie heute zwar lautstark gegen alles wettern, aber ganz ähnlich handelten, sobald sie selbst an der Macht wären. Es ist eben das ganze System verkommen.

Wahlalternativen zeige ich in Kürze auf.

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1 Kommentar zu „Bunter Wahlkampfkarneval“

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