Erst kürzlich ging mir die traurige Nachricht zu, dass der von mir sehr geschätzte Eugen Gabowitsch nicht mehr unter uns weilt. Er verstarb am 21. Januar in seinem 71. Lebensjahr nach mehrmonatigem Leiden. ZeitGeist-Leser kennen Ihnen noch von seinem chronologiekritischen Beitrag aus Heft 1-2004.
Der promovierte Mathematiker Gabowitsch zählte neben Heribert Illig und Uwe Topper wohl zu den bekanntesten Geschichtsanalytikern hierzulande. Ihnen allen war und ist es ein Anliegen – so verschieden ihre Forschungsansätze auch sein mögen – aufzuzeigen, dass so manches an unserer Zeitrechnung nicht stimmt, womöglich gar Jahrhunderte dazu gedichtet wurden. Gabowitsch, der auch recht gewagte Thesen vertreten konnte (wie etwa die, dass die chinesische Mauer, wie wir sie heute kennen, nicht älter als 50 Jahre ist – was er auch entsprechend belegen konnte), legte stets Wert darauf, von erfundener Zeit zu reden, nicht von Zeitfälschung. Letzeres klang ihm zu sehr nach Verschwörung und hätte überdies den Kern der Sache nicht getroffen.
Überhaupt war Eugen Gabowitsch immer für ein Späßchen zu haben, das berühmte Augenzwinkern findet man auch zwischen den Zeilen in seinen Texten wieder. In lebhafter Erinnerung ist mir sein Vortrag in Stuttgart geblieben, den er auf meine Einladung 2003 im Rahmen des Forum Kontrovers hielt. Bei unserem letzten Zusammentreffen in Potsdam im Februar 2008 war sein Tatendrang nach wie vor groß. Noch einige Artikel hatten wir gemeinsam in Planung gehabt, die nun leider nicht mehr erscheinen können. Auch die von ihm betriebene vielbesuchte Webseite zur Geschichtskritik scheint im Moment nur zeitweise erreichbar.
Beim Lesen einer Würdigung Gabowitschs in der Zeitschrift “Synesis” dachte ich für mich, wie schade es doch ist, dass man oft erst nach dem Tode eines Menschen erfährt, was für ein überaus interessanter und vielseitiger Mensch er doch gewesen ist. So widerfuhr es mir bei dem Landschaftskünstler Herman Prigann und bei meinem Kollegen, dem “Zukünfte”-Herausgeber E. O. Müller, beide ebenfalls unlängst überraschend verstorben, – und nun auch hier.
Zwar wusste ich z. B., dass Gabowitsch mit seiner Wodkaflaschensammlung, auf die ich bei ihm zuhause in Neu-Fahrland einmal einen schnellen Blick werfen durfte, im Guinness-Buch der Rekorde steht. Nicht bekannt war mir allerdings, dass die Flaschen noch alle voll sind, er selbst den Wodka nur in Maßen zu trinken pflegte. Auch nicht bewusst war mir, wie erfolgreich Gabowitschs Bücher in Russland sind. Als Estlandstämmiger (und damit der russischen Sprache mächtig) hatte er wohl gute Kontakte zur dortigen, äußerst regen Chronologieforscherszene aufbauen können.
Mit seinen wertvollen Überlegungen zur Geschichte der Geschichte ist er nun selbst Teil von ihr geworden – für mich zu einem unvergesslichen.
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Sehr geehrte Damen und Herren
Eines ist unumstößlich wahr, man ist immer noch zu wenig unterwegs im Internet. So erfährt der Verfasser mit Schrecken, dass Eugen Gabowitsch schon seit längerem nicht mehr unter uns weilt. Bei Gelegenheit des vorzuschlagenden Austauschs einer url auf seiner Büchertipp-Seite wollte ich mit ihm i. Verb. treten. Die Einschläge kommen immer näher.
Norbert Lönnendonker
Bergneustadt den 16. Juli 2012