Zeit für den Geist
Thomas Röttcher - Curriculum Vitae

Der Aufschwung ist da – zumindest, wenn man es am Zuwachs neuer Parteien festmacht. Während die großen Parteien weiter an Glaubwürdigkeit verlieren (nicht nur angesichts ihrer Profillosigkeit, sondern auch, weil jetzt, die Krise vor Augen, wieder nur an Symptomen herumgedoktert wird, anstatt endlich den Ursachen auf den Grund zu gehen), zeigen sich andere in Gründerlaune. Diesen, den derzeit neu entstehenden “Kleinparteien”, ist gemein, dass sie sich vordergründig nicht als Opposition verstehen, und auch nicht als Protestler mit radikalem Ansatz, sondern vielmehr lösungsorientiert auftreten, das Ganze im Blickfeld.

Ein Auswahl möchte ich hier vorstellen:

  • Libertas Partei Deutschland ist ein Ableger der Libertas-Bewegung, die von dem Iren Declan Ganley (einer der Hauptverantwortlichen für das Nein Irlands zum EU-Vertrag von Lissabon) initiiert wurde und auch schon in anderen europäischen Ländern aktiv ist. Sie tritt an für eine grundlegende Reform “der Europäischen Union und ihrer Institutionen mit der Forderung nach Demokratie, Transparenz, Rechenschaftspflicht und Subsidiarität”. Konkret bedeute dies, dass die 3000 Seiten starke EU-Verfassung verständlich gemacht und allen Völkern zur Abstimmung vorgelegt werden soll. Parteivorsitzender in Deutschland ist Richter Carlos A. Gebauer, manch einem vielleicht bekannt aus der RTL-Fernsehserie “Das Strafgericht”. Obwohl die Partei hierzulande erst am 3. März 2009 aus der Taufe gehoben wurde, will sie bereits zur Europawahl antreten – vorausgesetzt sie erhält genug Stimmen.
  • Noch jünger ist die Partei Die Guten, die sich erst vorgestern in Jena gründete. Das auf der Homepage ersichtliche Programm ist im Moment eher eine Liste gesammelter Ideen, was in unserer Gesellschaft zukünftig anders laufen müsste. Auch finden sich im Text noch zahlreiche Rechtschreibfehler. Als Erklärung heißt es: “Wir sind eine ganz neue Partei. Auf dieser Webseite ist also auch noch nicht alles perfekt. Wir arbeiten jeden Tag an der Erweiterung und Verbesserung.” Lassen wir uns überraschen.
  • Auch die Piratenpartei ist Teil einer größeren, hier sogar weltweiten Bewegung (2009: 18 Länder), an der vor allem junge Menschen teilhaben. Der im ersten Moment etwas kämpferisch anmutende Name täuscht, denn die Partei hat gerade in Zeiten zunehmender Kontrolle das achtbare Anliegen eines Paradigmenwechsel vom “gläsernen Bürger zum gläsernen Staat. Ihre Ziele sind daher die Förderung freien Wissens und freier Kultur, allem voran durch eine Reformierung des Urheber- und Patentrechts (z. B. im Sinne von Creative Commons), sowie der “Schutz vor dem Überwachungsstaat“, etwa mittels verbessertem Datenschutz. In Deutschland wurde die Partei am 10. September 2006 ins Leben gerufen. Auch sie will für die Europawahl kandidieren, Hauptthema im Superwahljahr ist die informationelle Selbstbestimmung der Bundesbürger.
  • Die Partei der Vernunft entstand infolge der großen Resonanz, die eine Kolumne von zeitgeist-Autor Oliver Janich in FOCUS Money auslöste (wir berichteten). Trotz des Begriffs im Namen hat sich die Partei als solche noch nicht konstituiert, was jedoch dem Vorsitzenden Janich zufolge demnächst passieren soll. “Mut, Wahrheit und Freiheit” verpflichtet, liest man auf der im Aufbau befindlichen Partei-Homepage immer wieder auch hintergründige Analysen zu wichtigen Themen aus Wirtschaft und Gesellschaft.

Zwar schon länger existent, aber auch für eine Erneuerung im ganzheitliche Sinne – und auf Stimmenjagd für die Europawahl 2009:

  • Die Violetten, gegründet am 6. Januar 2001. Das Sammelbecken spirituell Orientierter.
  • Mensch Umwelt Tierschutz, auch als Tierschutzpartei bekannt, gegründet am 13. Februar 1993. Die meisten Mitglieder sind – zumindest laut Wikipedia – Vegetarier oder Veganer.
  • Aufbruch für Bürgerrechte, Freiheit und Gesundheit, gegründet im Mai 1998. Vorsitzender ist der Arzt, Autor und engagierte Mobilfunkkritiker Hans Christoph Scheiner.
  • Humanwirtschaftspartei, die auf die Ideen des Freiwirtschafters und Geldreformers Silvio Gesell (1862–1930) aufbaut (in zeitgeist-Heft 1-2007 in aller Kürze vorgestellt) . Entsprechend liegt der Schwerpunkt noch heute auf der Errichtung einer “menschlicheren Marktwirtschaft”. Gegründet am 9. September 1950.

Und die Moral …: Die Zeiten, dass Parteien rein aus Trotz, Provokation oder als “Gag” gegründet wurden, man denke z. B. an die Anarchistische Pogo-Partei Deutschlands, die Spaßpartei oder die PARTEI der Titanic-Mitarbeiter, scheinen endgültig vorüber zu sein. Denn was heute zählt, ist der praktische Nutzen – und damit der echte Mehrwert für die Gesellschaft von morgen.

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13 Kommentare zu „Gesellschaftlicher Wandel zeigt Gesicht: neue Parteien – ein Überblick“

  • Ike says:

    Hallo!

    Eine weitere – meiner Meinung nach erwähnenswerte – Partei sind die Newropeans, die auch zur EU-Wahl antreten möchten.

    Sie streben eine Demokratisierung der EU an. Ich habe das Gefühl, dass die Libertas ein sehr ähnliches Ziel hat.

    Michael

  • Vlad S. says:

    Momentan formiert sich in der Schweiz eine Partei, die den Ansatz der “Integralen Politik” des amerikanischen Philosophen Ken Wilber in ein Parteiprogramm umsetzen will. Das Ziel ist es, im Winter 2009/10 eine Schweizer Partei zu werden. Nähere Infos: http://www.integrale-politik.ch/d/index.php?option=com_content&task=view&id=59&Itemid=72
    Ein sehr interessanter Ansatz und eine gute Initiative.
    Das Grundlagenpapier findet sich hier: http://www.integrale-politik.ch/d/images/stories/dateien/verein/glpkurz-web.pdf

  • Claus says:

    Es müssen ja nicht immer Parteien sein die etwas in diesem Land zum positiven verändern wollen.

    Einen etwas anderen Ansatz bietet “Willi Weise”. Die Grundidee ist über die Erststimme bei der Bundestagswahl etwa 269 unabhängige Abgeordnete in den Bundestag zu wählen. Eine wirklich interessante Idee.

  • Marianne says:

    Interessante Auflistung, wobei ich bei meiner Suche noch auf die OPD (Offensive Partei Deutschlands) gestoßen bin, die es auch schon länger gibt, aber doch mit die größen Chancen haben dürfte, irgendwann an die Ruder zu kommen. Der Link http://www.opd-politik.de

    Falls der Link nicht funktioniert, habe ich den auch ob eingefügt.

  • Klaus says:

    Hallo Leute,

    versucht es doch mal mit direkter Demokratie. Bestellt Euch Politiker, die mittels imperativem Mandat endlich mal den Willen des Volkes ausführen!
    Sollten wir die Stimmen der politisch motivierten Nichtwähler bekommen, könnten die Bürger im Bundestag die Gesetze verändern. Die Mehrheitsgesellschaft hätte die Chance, die Minderheitendiktatur abzuschaffen. Am 22. Juni 2010 ist Gründung. Vielleicht erkennt jemand den historischen Ansatz.

  • Helmut Leih says:

    Seit dem Jahr 2000 gibt es immer mehr Parteigründungen,die ersten Parteien wahren noch Protestparteien.Leider aber gewinne ich immer mehr den Eindruck,weitere Gründungen werden nur noch gemacht,um möglichst viele Kleinparteien einsammeln zu können.Das schlechteste Beispiel war der Zusammenschluss von PDS und WASG.Die PDS hat heute in der Partei Die Linke
    das sagen,obwohl die WASG eigentlich eine neue Aufbruchpartei war,und die PDS ein Stalinistisches hinterteil hatte.Mein Eindruck ist,die Parteien mit einer neuen Politischen Idee,werden von den alten Parteien ausgeschaltet.Der Wahlausschuss lest grüßen!!!.

    Helmut Leih
    http://www.betrogene-buerger.de

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